Ein Bericht über die 52. Europäische Yogawoche in Zinal, Vallis/Schweiz, 17. bis 22. August 2025
Schon die 14-stündige Bahnfahrt ist schön: ich lese, schreibe, spreche mit Mitreisenden, und betrachte die Landschaft, so löse ich mich von meinem Alltag in Wien und freue mich auf die Ankunft in dem hochgelegenen alpinen Bergdorf.
Seit bald 30 Jahren ist der Termin des Europäischen Yogakongresses im August ein fixer Eintrag in meinem Kalender – genauso wie der Luna Yoga Sommerforums im Juni.
Zinal ist ein inspirierender Ort, an dem es sich gut lernen lässt. Die Begegnungen mit mir selbst, mit Yogalernenden und Yogalehrenden aus ganz Europa erweitern meinen Horizont und stärken meinen Yogaweg. Indem ich mich bewusst auf andere Yogastile einlasse, erkenne ich Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit meinem Yoga und sehe auch, welch ein großer Schatz Yoga und besonders Luna Yoga ist!
Von Sonntag bis Freitag gibt es zischen 7 und 22 Uhr ein abwechslungsreiches Programm. Jeder Tag wird von einem eineinhalbstündigen Yogaeinheiten (um 7 Uhr und um 17 Uhr ) eingerahmt. Die jeweils zweistündigen Praxis-Workshops um 10 und um 14:30 Uhr bieten vertiefendes Yogaüben, Vorträge und Meditationen von hochkarätigen Gastreferierenden. In jeder Einheit stehen fünf bis sieben Angebote in unterschiedlichen Sprachen zur Auswahl.
Das Abendprogramm (jeweils ab 20:30 Uhr) bietet Gelegenheit miteinander ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen. Am ersten Abend wird der Kongress feierlich eröffnet, am letzten Abend beschlossen und an einem weiteren Abend laden die Yogaverbände auf ein Meet&Greet Event ein. Zusätzlich gibt es Runde Tische und Diskussionen, aber auch Musik- und Filmvorführungen.
Das Kongressthema wird jährlich von den Europäischen Yogaverbänden ausgewählt. Letztes Jahr ging es um die Lebenskraft/Prāna, dieses Jahr um stetiges Bemühen/Abhyāsa und Gelöstheit/Loslassen/Vairāgya, und 2026 wird es um die Gefühle im Yoga – Bhāva und Rasa – gehen. Die von den Yogaverbänden entsandten achtzehn Lehrer:innen hatten ihre Gedanken zum Thema bereits im Vorfeld formuliert. Es ist empfehlenswert, diese Texte in Französisch und Englisch auf der Website der Europäischen Yoga Union (EUY) nachzulesen. Ausschnitte finden sich im schön gestaltetes Kongress-Heft, das ie Teilnehmer:innen auch heuer wieder erhielten und das auch Seiten für eigen Notizen erhält.
Und was habe ich dieses Jahr neu erfahren?
Der finnische Religionswissenschaftler Matti Rautaniemi (The Yoga Federation of Finnland) präsentierte nicht nur das Wortpaar, also die Begriffe und Inhalte von Abhyāsa und Vairāgya, wissenschaftlich fundiert und mit Textdeutungen aus dem Yogasutra, sondern lud die 30 Teilnehmer:innen auch ein, gemeinsam zu philosophieren und Beispiele aus dem täglichen Leben und für die Yogapraxis zu nennen. Seine beiden hervorragend vorbereiteten Vorträge in Englisch brachten interessante Erkenntnisse für das yogische wie auch für das Alltagsleben.
Dreimal nahm ich an den morgendlichen Yogastunden von Gaby Gillessen (Irish Yoga Association) teil. Ausgehend von der Kraft der Füße und des Fußgewölbes begannen wir mit kleinen vorbereitende Übungen, setzten die Bandhas und gestalteten dann Stellungen, beispielsweise den Hund oder die Trikonasana, sehr genau und verweilten in diesen Positionen.
Die Einheiten am Vormittag mit Claire Dalloz (Schweizer Yogaverband, SYV) waren kraftvoll, sportlich und dynamisch. Sie wechselte beim Anleiten gekonnt zwischen Englisch und Deutsch und gab uns täglich drei zum Kongressthema passende Fragen mit, über die wir tagsüber selbst reflektieren sollten.
Ich besuchte zwei der von Jérôme Balladur (Verband der Yogalehrenden in Österreich) geleiteten morgendlichen Yogastunden sowie seine nachmittäglichen Workshops und fand alles bereichernd. Jérôme leitete die Einheiten mit spürbarer Freude. Er zeigte uns – teilweise gemeinsam mit seiner Frau Aliette – Bewegungsabfolgen wie Sonnengrüße und Kranichvariationen und sagte sie in klarer und schöner Sprache an. Er gab uns genug Zeit zum Nachspüren und auch Raum für Meditationen und Kontemplationen. Wir rezitierten aus den Yogasutras bzw. sangen sie und spürten dabei deutlich die wohltuenden Vibrationen im Körper. Durch die Wiederholungen konnte das Erfahrene gut ins Körpergedächtnis sinken.
Zum Ausklang meines Berichtes will ich Claire Dalloz zitieren: „Am Ende sind Abhyāsa und Vairāgya die Eckpfeiler eines ausgeglichenes Lebens. Wie zwei Flügel eines Vogels benötigen wir beide, um zu fliegen. Abhyāsa liefert den stetigen Rhythmus der Anstrengung, die erforderlich ist, um aufzusteigen, während Vairāgya die Freiheit bietet, mühelos zu gleiten, ohne Widerstand.“
Neugierig geworden? Weitere Impulse und Informationen findes du hier:
2. Adelheid Ohlig: Yoga Vielfalt im Val d’Anniviers (September 2016)
3. Gyöngyi Hajdu: Yogakongresse der Europäischen Yoga Union (EUY) in Zinal/CH seit 1973 (Juni 2023)